Zeitspiel in der Helmholtzstraße

Geschrieben von Christian Klas am in Turniere

Die Aufgabe war eigentlich überschaubar. Claudia und ihren Glühweintopf in der Helmholtzstraße abzuliefern. Dieser Pflicht sollte die Kür folgen. Das schöne große Fressen. Igors weltbester Gulasch in der Villa Baii wartete auf seine Vertilgung. Was sollte daran schief gehen? Aber an diesem Tag war alles anders, auch das.

Der Versuch einer Situationsbeschreibung:

In einem Augenwinkel entschwindet Claudi mit dem Glühweintopf, in den Anderen taucht ein entgegen kommender PKW. Wie gut dass Tischtennisspieler ein weites Gesichtsfeld trainieren. Von den Dächern poltern Dachlawinen abwechselnd links oder rechts auf arglos abgeparkte Autos. Das bedrohlicher werdende Fahrzeug bremst, gesteuert von einer Frau die nicht nach Kompromissen aussah, flankiert von ihrem wild gestikulierenden aber abhängig wirkenden Beifahrer, hupend im unserem Scheinwerferkegel. Warnblinkanlage gegen Laserblicke einer wild entschlossenen Lenkrad-Amazone. Ein unbekannter Passant sprenkelt desinteressiert, aber leicht schwankend, die Hauswand. Eher interessiert scheint der unfrisierte Typ im Feinripp, mit Bierflasche in der Hand, aus dem Logenplatz im Erdgeschoss. Vis a vis sortiert eine Dame im Licht einer IKEA-Stehlampe (Myrre oder doch Brenda?) ihre Strumpfhose. Wir sitzen höher, also besserer Überblick und leichte Favoritenrolle gegen den VW. In unserem Heckteil friert ein Kasten Bier. Beim Gegenüber ein großer, sehr geduldig wirkender Hund. Keine Bewegung auf der Straße. Alle wissen worum es geht, wer zurücksetzt hat verloren. Verloren haben wir heute aber schon zur Genüge. Der Beifahrer grinst gequält. Schmalzi legt Johnny Cash auf. Torsten erlöst 2 Bier kurz vorm Gefrierpunkt. Erstmalig zeigt der Hund eine Regung, demonstriert kurz die Länge seiner Schnauze im Profil, um sich gleich wieder voll auf die Beobachtung unseres Tuns zu konzentrieren. Für beide Seiten gilt, jetzt keine Schwäche zeigen. Eine große Dachlawine schlägt mit Getöse nieder. Vorbote des Untergangs ? Erste zaghafte Verhandlungen. Schmalzi, Fluppe im Mundwinkel, Bier in der Hand, geht auf den Gegner zu.  Die Frau am Steuer zeigt sich unbeeindruckt, verbietet dem Mann an ihrer Seite das Wort. Der Hund schweigt sowieso, aus Erfahrung oder Instinkt. Oder emotionaler Intelligenz. Schmalzi trabt ab, einzige Botschaft. Sie fährt nicht rückwärts, sie will es nicht und sie kann es auch gar nicht. Sie kann es nicht ? Beifall klatscht von den Dächern auf die parkenden Autos. Wie könnte die Lösung aussehen? Zurücksetzen? Niemals ! Das Ding abschließen und Claudis Glühweintopf folgen ? Schon eher. Benno Bauer erinnert per Funknetz an den Gulasch. Igor soll ihn warm halten. Wir schaffen das schon. Wenigstens das. Torsten nimmt einen Anlauf und schreitet todesmutig auf den Golf zu. Aber die Kriegerin der Einbahnstraße hält nur die Hand entgegen, keine Gespräche. Kein Zurücksetzen. Nichts mehr. Der Zuschauer gibt zuerst auf. Es erreicht uns die Botschaft, die Polizei sei informiert und wir müssen weichen. Der Weg sei kürzer. Stimmt nicht. Wir seien später eingefahren. Stimmt erst recht nicht. Johnny Cash singt uns Mut zu. Haltet durch! Wenn in einer halben Stunde nichts passiert ist, kommt die Polizei. Angeblich. Schöner Gedanke eigentlich. Maja hat eine Idee. Vielleicht geht Frau zu Frau. Tatsächlich, die Panzerluke öffnet sich. Maja hört Dinge, die sie nicht hören wollte und die auch keine Lösung versprechen. Nur der Hund ruht noch in sich. Der Gulasch, obgleich mindestens noch 15 Kilometer entfernt, übernimmt die Rolle des Schiedsrichters. Er spricht zu uns und sagt, der Klügere gibt nach. Oder der Hungrigere. Wie zur Bestätigung plauzt eine Dachlawine hinter uns zu Boden. Maja suggeriert uns im Weißen der gegnerischen Augen schon Tränen gesehen zu haben. Stimmt mit Sicherheit nicht. So genau hätte man da gar nicht reinschauen können, ohne die sofortige Erblindung durch Laserkraft zu riskieren. Aber die Vorstellung macht es leichter. Dazu die Vorstellung von Igors Gulasch, der würdevolle Hund im Hintergrund und die Wahrscheinlichkeit dass wir am Rest des Wochenendes mehr Spaß haben werden, als Beifahrer, Hund und Gegnerin zusammen. Dann der klassisch entscheidende Moment. Wie beim Tischtennis. Gegner bewegt sich zu früh. Der Beifahrer zündet sich ne Zigarette an, verlässt seine Trutzburg und führt den heimlichen Helden, seinen Hund, Gassi. Wir haben gewonnen. Motor an, gefühlte Kilometer Häuserzeile zurücksetzen und ab zum Gulaschkessel. Danke Johnny Cash. Danke unbekannter Hund. Und sorry allen Anwohnern. Manchmal muss man eben tun, was man tun muss. 

Schmalzi 2,5 Brauni 2 CK 0,5 Maja 2

Kommentare (3)

  • Maja

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    Meine erste Fahrt mit unserem Bus. Unvergesslich! 😀

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  • Maiko

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    wir sollten eine Abteilung für Autoren ins Leben rufen. ^_^
    btw, kann mir nochmal jemand beschreiben, was für eine missliche Situation gewesen ist. Und wieso hat der Schunkeltrunk eine Häuserwand geküsst?

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  • Torsten

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    Diese Begegnung war wirklich sehr speziell!

    Mit der Punkteverteilung hast du dich aber etwas in den Schatten gestellt, dir hatten wir doch den „Spaß“ zu verdanken.
    …zwei Bonuspunkte für deinen Dickschädel, ähh ich meinte natürlich Siegeswille!!!!!;-)

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